Der äußerste Westen Österreichs ist eine Zugreise absolut wert. Einsteigen, aussteigen, die wenigen Schritte zum See flanieren. Warum macht man das eigentlich nicht öfter?
Die Anreise ist in der Tat so unkompliziert, dass man sich diese Frage unweigerlich stellt. Rund 30 Jahre musste ich alt werden, um diese Erfahrung schlussendlich zum allerersten Mal zu machen. Wohnhaft im Zentrum des Landes, an der Grenze von Ober- und Niederösterreich, ergab es sich einfach nicht, Bregenz einen Besuch abzustatten. Einzig dem Studium im fernen Wien sei es gedankt, dass ein liebes Vorarlberger Moatle (= Mädchen) in mein Leben trat. Nach unsrer beider Rückkehr in die jeweilige Heimat schien die Distanz eine bergige Hürde, die zu überwinden wir nur alle heiligen Zeiten in der Lage sein würden. Bis ich mich einfach in den Zug gesetzt habe.
Direkt ins Zentrum
Gerade aus dem Westen kommend, düst man bei Tag oder Nacht, in einem Zug durch. Nicht nur, dass der Bahnhof der Landeshauptstadt Vorarlbergs sowohl mitten in der Stadt, als auch am Ufer des Bodensees gelegen ist. Er ist auch ein zentraler Dreh- und Angelpunkt für Fahrten in die Schweiz, nach Deutschland und Italien; kein kleiner Lokalbahnhof, um welchen zu erreichen man mehrmals umsteigen müsste.
So kommt es, dass man nach durchfahrener Nacht den verschlafenen Blick zur Orientierung streifen lässt - und sich nur wenige Meter vom Bodensee entfernt wiederfindet. Mit dem ratternden Trolley an der Hand führt der beste Weg entlang der Uferpromenade bis hin zum "Milchpilz". Was das ist? Eine kultige Milchbar in Fliegenpilzform! Ich verspreche, Sie werden ihn sofort entdecken und dort einen leckeren Shake schlürfen. Sodann heißt es eine Entscheidung treffen: Linkerhand zum Hafen oder gleich ins Stadtinnere spazieren?
Tradition und Moderne
Bregenz ist eine überschaubare Stadt. Mit knapp 29.500 Einwohnern mutet sie groß genug an, um ein abwechslungsreiches Programm zu bieten, aber bleibt dennoch kompakt. In Fußentfernung lässt sich vom jüngeren Stadtzentrum ausgehend auch die Oberstadt erschließen. Der Stadtteil aus dem Mittelalter war eine Burgsiedlung und beherbergt das Bregenzer Wahrzeichen, den Martinsturm. Im schindelgedeckten ehemaligen Getreidespeicher befindet sich heute ein Museum. Außerdem bietet er einen tollen Rundumblick über die Stadt (für all jene, die zu wenig Zeit für den Pfänder haben, siehe Tipp). Der leicht ansteigende Weg in die Burgsiedlung belohnt jedenfalls mit charmanten Bürgerhäusern und schmalen Gässchen.
Zurück im heutigen Zentrum der Stadt kann im Vorarlberger Landestheater, dem Künstlerhaus oder dem Kunsthaus (KUB) Kultur genossen werden. Oder man lässt sich von einem der Lokale samt Gastgärten auf Kaffee und Mehlspeise verlocken. Vielleicht ist Markttag und ein kleiner Blumengruß darf mit nachhause?
Ausflüge in naher Umgebung
Steht ein wenig mehr Zeit in Bregenz zur Verfügung, lohnen einige Ausflugsziele im nahen Umfeld. Die fast autofreie Insel des deutschen Städtchen Lindaus zum Beispiel. Kulinarik und Panorama wollen entdeckt werden. Aber auch, wenn wir in Österreich bleiben, fallen mir auf Anhieb einige Destinationen ein, an die ich Sie schicken möchte: Die winzige Gemeinde Bildstein etwa, die auf einem Felsen oberhalb von Bregenz thront. Ihre Wallfahrtskirche ist weithin sichtbar und dementsprechend bekannt. Die Weite und dichte Besiedelung des Rheintals beeindruckt von dort oben gewaltig.
Doch hasten Sie nicht dabei, Sehenswürdigkeiten abzugrasen. Nehmen Sie sich die Zeit, vielleicht ein Rad auszuleihen und den See entlang zu radeln. Steigen Sie ab, erfreuen Sie sich an den zahlreichen Möglichkeiten, an den See heranzukommen (was ja nicht in allen Teilen Österreichs als Selbstverständlichkeit zählt). Da taucht unvermittelt eine Beach-Bar im Bambusmatten-Look auf und sie trinken den für den Moment besten Caipirinha, den sie je hatten. Bregenz am Bodensee kommt unscheinbar daher - überrascht dafür umso mehr mit gediegenem Urlaubsfeeling auf hohem Niveau.
Unbedingt hinaufgehen muss man auf den Bregenzer Hausberg, den Pfänder. Für Bequeme ist die Gipfelstation auf 1.022 Metern per Pfänderbahn (Schillerstraße 3, 6900 Bregenz) in wenigen Minuten zu erreichen. Wer es lieber sportlich hat, erwandert sich den bezaubernden Ausblick bis hin nach Deutschland und die Schweiz in einer guten Stunde.
Pflichtprogramm eines Bregenz-Aufenthalts ist eine Stippvisite am Fischersteg. Und zwar egal, zu welcher Jahreszeit - wobei die Sunset Bar an wärmeren Abenden selbstverständlich noch reizvoller auf Besucher und Einheimische wirkt. Bei einem Cocktail blickt man auf die belebte Promenade auf der einen Seite, den ruhigen See rundherum.
Hervorragende Gasthäuser sind in der Gegend von und um Bregenz einige zu finden. Dabei sollte man oftmals durchaus das nötige Kleingeld zur Hand haben - die Nähe zur Schweiz ist unverkennbar. Touristisch beliebt ist das Wirtshaus am See - nicht nur wegen seiner eleganten Lage, sondern durchaus wegen der guten, bodenständigen Küche. Ein kleiner Geheimtipp ist jedoch die Pizzeria Isola Bella (Inselstraße 8, 6900 Bregenz): Ebenfalls in Seenähe gibt es eine der besten Pizzen des Landes und einen kleinen Gastgarten. Oder man schnappt sich die Pizza und speist auf den Stufen der Mole, direkt am Hafen.