Zugfahren in den Norden Finnlands ist schön, in Sommernächten kann es vorkommen, dass auf der einen Seite die Sonne zu faul ist unterzugehen, und dass es gleichzeitig auf der anderen Seite regnet, mit dem dazugehörigen Regenbogen, die Zugbar hat bis 2 Uhr nachts geöffnet, und jedem der schwankenden Gäste, dem man dieses Schauspiel zeigen möchte, nächtlicher Regenbogen, das sei doch nun wirklich ganz besonders magisch, winkt ab, das ist doch gar nichts, komm mal im Winter, dann bekommst du eine Aurora Borealis, auch Polarlicht genannt, DAS ist etwas einzigartiges, ein richtiger Killer sei das.
Im Zug dann interessanterweise viele Japaner, die so genannte Aurora-and-Spa-Tours machen, angezogen von den geheimnisvollen Sonnenwinden, die auf die Magnetfelder über den Polkappen in die Stratosphäre eintreten und diese eigentümliche grünen Schlieren am tiefschwarzen Himmel zaubern, ein unheimliches, flüchtiges Lodern. Was das Spa im Programm der Japaner bedeutet, ist mir allerdings schleierhaft, vielleicht Sauna. Und wenn sie Pech haben, ist es die ganze Zeit bewölkt und sie schauen in die Röhre bzw den Saunaofen. Als wir in ebendieser sitzen und zur Abkühlung vor die Tür gehen, um uns im Schnee zu wälzen, wehen plötzlich die sonderbaren Gardinen Gottes über uns, man steht da splitterfasernackt weit oberhalb des Polarkreises und des läppischen Weihnachtsmanndorfes und staunt so sehr, dass man zu zittern vergisst. Man macht es einfach der Lapplandmeise gleich, und senkt kurzfristig die Körpertemperatur, Hypothermie nennt sie das. Endlich ein adäquater Ersatz für die vor einigen Jahren dummerweise verschlafenen Sonnenfinsternis.ist Zeichner, Autor und DJ. Er lebt und arbeitet in Wien.
2014 wurde er für seinen Text Wir waren niemals hier mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet.